Im Freistaat machten sich DREI Piratensender einen Namen - die allesamt denselben Techniker und Senderbauer gemeinsam hatten :
Radio Sinus war aktiv von 1982 - 1983 (sozusagen das Experementierstadium)
Radio 64 gab es von Ende 1983 / 1984 - Frühjahr 1985
ab Mitte 1985 gab es dann wieder kurz Radio Sinus mit anderer Besetzung und dann bis zum bitteren Ende Radio Uferlos
Alle Sender bezogen sich in ihren Ansagen darauf, aus Südtirol (Sterzing) zu senden. Hier wollte man offensichtlich die Deutsche Bundespost verwirren, was jedoch nur relativ kurze Zeit gelang.
Die ersten Tests liefen als Radio Sinus und waren eigentlich Livemitschnitte von diversen Konzerten. Gesendet aus der Bastelstube des Technikers.
Als die Technik passte, wurde daraus RADIO 64.Hierbei handelte es sich um ein sehr seriöses Projekt - man hatte EIN Ziel: Intention für freien Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland.
Als auf Radio 64 keine Resonanz erfolgte, wurde gleichzeitig die Sendetechnik mit anderer Besetzung eingesetzt, anfangs wieder unter dem Namen Radio Sinus - und dies uferte aus ;-) also kam Radio Uferlos. Als Radio Uferlos unterwegs war, war das Projekt Radio 64 gestorben.
"Die Stimme für privaten Rundfunk ohne Kabel in Deutschland" dank Axel Pollmann
24.10.85 Münchner Merkur: Wenn die Uferlosen kein Bier mehr haben, ist die Sendung aus....Post sucht die "Ätherpiraten" seit Mitte August
Sogar der ADDX-Kurier berichtete über die Bayrischen Piraten: Radio Uferlos auf 100,9 MHz......Man ging von einem gemeinsamen Standort mit Radio C - also Südtirol - aus
04.11.85 Münchner Merkur: Funk-Piraten wurden bei Bad Tölz geschnappt - Post suchte "Radio Uferlos" seit Wochen
Band Nr. 538
Radio 64 war in 2 verschiedenen Regionen unterwegs und dort an verschiedenen Standorten aktiv: Einmal in Südtirol und im Raum Garmisch/Tölz. Der Piratensender hatte eine solche Sendeleistung, dass man bis weit über Augsburg, sogar Nürnberg gehört werden konnte! (laut interner info wußten die Macher vom Ausrücken der Funkfahndung in Nürnberg, die dachten im ersten Moment Radio 64 ist dort vor Ort)
Schritt für Schritt wurde die Technik verbessert und somit auch die Abschirmung von HF Einstrahlung ins Audioequipment. Letzter technischer Stand: Stereo- und Verkehrsfunk codiertes Signal mit 1000 Watt und einer Langyagi ( = 10kW Sendeleistung ) ! Ziel von Radio 64 war FREIER Rundfunk in Deutschland !
Ein Unikum, welche abenteuerlichen Vorstellungen sich die Radio 64-Macher als Ausrede für die verbrummten Ansagen einfallen liessen. Das muß man einfach hören:
Band Nr. 242
Radio Uferlos war ein im südbayerischen Raum sendender Pirat. Ganz bewusst wählte man die Frequenz 100,90MHz. So war man von der Radio C Frequenz 101,10MHz nicht weit entfernt und übertraf in einem kleinen Radius die Südtiroler QRG. So gelang den Uferlos-Piraten gleich zwei positive Effekte: 1.) Dank der damals nicht allzu trennscharfen Radios konnte man die Radio C Hörer erreichen und 2.) war die Post komplett überfordert, da man sich sicher war, auf der 101,10 sendet sowieso ein Pirat; (und zwar Radio C aus Südtirol). Alle Südtiroler Sender kämpften übrigens zu Recht vehement gegen die Behauptung, sie seien Piratensender ! Besonders gerne der BR sprach in diesem Zusammenhang immer wieder von illegalen Stationen aus Italien:-) Als Radio C Wind von den Uferlos-Piraten bekam, beschwerte sich Radio C bei der deutschen Post gegen die Frequenzbesetzung ! Uferlos sendete hauptsächlich stundenweise an diversen Wochenenden. Nachdem das ambitionierte Radio 64 Projekt (Durchsetzung des Freien Radios in Deutschland) gescheitert war, machte der Techniker des Piratensenders weiter und das Programm wurde in Radio Uferlos unbenannt. Die Sendungen uferten immer wieder aus, so dass im Lauf des Programmes die Ansagen dank zuviel Alkohol kaum noch verstanden werden konnten.......Anfang November 1985 wurden die Uferlosen dann von der Post geschnappt.
Die Staatsanwaltschaft hat Radio Uferlos den Strom abgedreht via Wolfgang Danner
In diesem Zusammenhang möchte ich den FMK-Gästebuch von Andreas Graf nachfolgend wiedergeben - worüber ich mich übrigens ganz besonders gefreut habe :
Hallo aus Südbayern
ich war grad auf der Suche,ob es im Internet noch Informationen über Radio Uferlos-Radio 64 und Radio Sinus gibt.
Ich war für die Technik dieser Piratenstationen zuständig
Jetzt nach über 20 Jahren berührt es mich doch heftig einige, wenn auch kurze Soundfiles aus dieser vergangenen Zeit wieder zu hören.
Eine kurze Richtigstellung möchte ich bei dieser Gelegenheit doch anbringen.
Wir setzten uns wirklich ernsthaft für freie Medien in Deutschland ein -die Resonanz war jedoch gering.
Leider, so scheint es,hat sich in den letzten 20 Jahren das Interresse an einer wirklich freien Medienlandschaft eher noch verringert.
Die meisten Bürger dieses Landes haben sich wohl damit abgefunden das ein kleiner (elitärer) Kreis sendet und die breite Masse empfängt.
Haupsache der Informationsfluss findet von "oben" nach "unten" in einer Richtung statt.
Ich finde es deshalb gut, das es Webseiten wie diese hier gibt.
Piratensender als wirklich demokratisches Instrument dürfen nicht vergessen werden.
FMK bat Andreas Graf, einige seiner Erinnerungen an seine "Piratensenderzeit" niederzuschreiben. Andreas kam dieser bitte nach. Hier sein Rückblick >
Wie sind wir auf die Idee gekommen....
Ich kann momentan nur von mir selbst erzählen -- mit den meisten Leuten aus dieser Zeit habe ich keinen Kontakt mehr, bzw das Thema Piratenradio ist leider nicht mehr Mittelpunkt der Gespräche --muß es wohl wieder zum Thema machen.
In den 80er Jahren war ich in der Ausbildung zum Radio und Fernsehtechniker und war viel am Kabelanschluß verlegen (Lehrlingsarbeit eben).
"Das kann doch nicht sein", dachte ich mir -den Leuten am Kabel wird doch die Informationsfreiheit eingeschränkt-- ich selbst war in der glücklichen Lage große Ukw-Empfangsantennen bei mir zuhause zu errichten und damit über eine große Auswahl von UKW-Sendern aus Südtirol-Österreich-Schweiz zu verfügen.
Daß Kabelanschlüsse Abhängigkeiten schaffen, war mir damals schon klar--parallel dazu war ein totales Antennenverbot in bereits verkabelten Gebieten im Gespräch, wurde in einigen Gebieten sogar schon durchgesetzt.
1977 war ich in Italien im Urlaub-mich hat damals nicht das Meer beeindruckt, sondern eine kleine private Radiostation die ich fast täglich besuchte-in einem kleinen Zimmer betrieb ein "Bastler" einen selbstgebauten 10 Watt UKW-Sender es brummte-übersteuerte-rauschte, aber der durfte das-es war in Italien völlig legal!. Dieser "Bastler" lebte sogar von seinem Sender (finanziert durch Werbung von lokalen Gewerbebetrieben).
Dieses "italienische Idealbild" war mir immer Maßstab bei der Betrachtung der deutschen Medienlandschaft.---ein ziemliches naives Idealbild, aber ein starkes.
Und nichtzuletzt dient ein Piratensender nicht nur dem Idealismus sondern auch der Selbstdarstellung--ich denke das ist bei den meisten der Fall.
Ob das als Erklärung ausreicht, warum wir einen Piratensender betrieben -ich weiß es nicht genauer--es gibt dafür sicher mehr Gründe--vielleicht war es nur jugendlicher Leichtsinn.
Der erste Sender........
Jedenfalls setzte ich mich in die Werkstatt und lötete meinen ersten tragbaren 5 watt Sender zusammen--ca.1982--es war ein ziemliches Schrottteil-- welches nur Mono sendete.
Frequenzabstimmung über VFO (Drehkondensator)--also total unstabile Sendefrequenz -- 5 Watt Sendeleistung über Rundstrahlantenne--damit ließ sich keine große Reichweite erzielen. Für ein paar Zuhörer in der Nachbarortschaft hat es aber immer gereicht.
Von 1982-1986 verbesserte ich die Sendertechnik: die Sendefrequenz wurde quarzstabilisiert--und über Frequenzsynthese im 25khz Raster einstellbar. Hinzu kam noch die Technik der Stereo-Signalaufbereitung (19khz Pilotton-38khz Hilfsträger über Ringmodulator)--und wir sendeten in Stereo ! Steuersender und Endstufe wurden in verschiedenen Gehäusen untergebracht --die ersten Röhrenendstufen lieferten 300 Watt Sendeleistung --als Senderöhren verwendete ich 2 Stück PL 519 in Gegentaktschaltung bekannt aus den alten Farbfernsehzeilenendstufen. Diese Röhren waren aber für diese Leistung auf dieser Frequenz nicht konstruiert und hielten meist nur 3-4 Stunden Sendebetrieb durch. Die Anodenbleche glühten so massiv, daß sich die Glaskörper nach innen bogen.
Und so baute ich eine Endstufe bestückt mit 2 Stück Eimac 4CX1000 also mit kommerziellen Senderöhren- aus dieser Endstufe konnte ich knappe 1000 Watt rausholen, was bei unserer Sendeantenne (eine Langyagi mit 10db Antennengewinn) eine Abstrahlleistung von 10 kw in eine Richtung ermöglichte.
Das Abstrahlverhalten der Sendeantennen ermittelte ich immer dadurch, daß ich mit einer großen Leuchtstoffröhre in der Hand die Sendeantenne umkreiste -brannte sie im Abstand von 5 Meter zur Antenne noch normal war ich zufrieden--wenn man da an die heutige Diskussion zum Thema Elektrosmog durch Handymasten denkt--einfach absurd.....!!
Bestückt mit dieser Ausrüstung wagten wir eine Versuchssendung von Südtirol aus --der Berg hieß Sattelberg ca 2000 m hoch -wenn man Richtung Italien fährt -nach dem Brennerpaß--führt eine Militärstraße hoch zu verlassenen Bunkern auf dem Gipfel von dem man einen schönen Ausblick Richtung Norden hatte. Zu den anderen Südtiroler Sendestationen war der Ausblick auch frei -sie lagen direkt gegenüber auf den Bergen auf der anderen Seite des Tales (Brennertal?).
Die Versuchssendung war erfolgreich --war zumindest in Oberbayern gut zu hören (in Starnberg mit dem Kofferradio) und so versuchten wir eine offizielle Sendelizenz von der italienischen Regierung zu bekommen.
Die Absage der italienischen Regierung war zwar höflich, aber bestimmt (das Schreiben habe ich noch)--das war zu dieser Zeit, als auch die anderen Südtiroler Sender bereits mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten--es war klar: wir hatten den falschen Zeitpunkt gewählt.
Das war jedenfalls der Wendepunkt : Aus Radio 64 (mit mehr geschäftlichen Interressen) wurde als Übergangslösung Radio Sinus (mit teilweise schon alternativen politischen Ansichten) und letztendlich wurde Radio Uferlos (tw. chaotisch und ganz einfach frustriert) draus.
Die Technik war immer dieselbe: sie stammte aus meiner Werkstatt-- das Team aber änderte sich, drastisch ausgedrückt-- von Krawatte und Aktentasche am Anfang bis hin zu hemdsärmlig mit Bierflasche am Schluß.
Während Radio 64 von Post und Staatsanwaltschaft nicht behelligt wurden (obwohl ich mir sicher bin, daß sie uns wahrgenommen hatten) , durfte Radio Uferlos nicht lange senden--es war wohl zu anarchisch--zu gefährlich für die öffentliche Ordnung. Ausserdem erlaubte es sich Radio Uferlos die Frequenz von Radio C plattzumachen--Radio 64 war da dagegen sehr anständig. Alles in allem ein sehr ambivalentes Radioprojekt.
Die Strafe war hoch..........
Die Strafen der Staatsanwaltschaft waren drastisch --ein paar Wochen U-Haft (die wollten von mir schließlich was wissen) und ca 15 000 DM Geldstrafe --die Post zog meine Amateurfunklizenz ein. Ich war der einzige von unserem Projekt, der belangt wurde.
Bereuen tue ich bis heute nichts--wie gesagt -mich juckts schon wieder!!---leider beschäftigt sich heutzutage kaum noch jemand mit Rundfunkempfang --jeder surft im Internet --außerdem fehlt es den jungen Leuten an Initiative sich für freie Medien einzusetzen--Deutschland (Europa) ist in dieser Hinsicht ein hoffnungsloser Fall.
Die meisten Menschen haben sich mit dieser "gottgegebenen" Weltordnung abgefunden --sie finden es ok, wenn eine elitäre Minderheit über das Medium Rundfunk verfügt, während sie selbst zu bloßen Empfängern degradiert werden.
Wieder einen Piratensender zu betreiben --wäre momentan daher sinnlos--die meisten Menschen wollen in dieser Hinsicht weiterschlafen--ein Piratensender würde sie nur in ihrem Schlaf stören--erst wenn die Zeit reif ist---wenn der Überdruß an den bestehenden Medien groß genug geworden ist--wenn ohne Ende bezahlt werden muß, für Unterhaltung auf niedrigstem Niveau--dann ist die Zeit wieder reif für Radio "von unten".
So, nun beende ich diese e-mail, bevor ich mich im Frust über die heutige Situation der Medien verliere --und noch mehr abschweife. Ich hoffe, daß einige Fragen beantwortet wurden ,für genauere Informationen
müßte ich selbst noch mal in den Akten (dicker Leitzordner) nachlesen.
viele Grüße aus Bayern
Andreas
Rückblick auf das FMK-Lesertreffen im April 2010 in Augsburg-Stadtbergen
Auch die Macher der populärsten Piratensender aller Zeiten in Bayern (Radio 64, Sinus, Uferlos) besuchten das FMK-Treffen.
Für eine Riesenüberraschung sorgten die "Uferlosen" (UKW-Piraten Mitte der 80iger Jahre bekannt unter den Namen Radio 64, Radio Sinus und Radio Uferlos). Die Piraten machten ihrem Namen alle Ehre und versorgten an diesem Abend unsere Lokalität mit einer Bayrischen Radiopremiere !!! Erstmals wurde nämlich im Freistaat eine DRM-Sendung auf UKW abgestrahlt. Sender, mp3-Player und Antenne befanden sich im Auto der Piraten. Ein modifizierter Empfänger machte das "neue" Uferlos-Programm hörbar und sorgte für die passende Musik beim FMK-Treffens.
Letzte Feineinstellung der "Uferlosen" bevor das selbstgemachte DRM-Testprogramm in Augsburg auf Sendung geht